Information in der Zufälligkeit lebender Materie
• Neue mathematische Werkzeuge geben Aufschluss über das veränderliche Verhalten von lebender Materie
• Schwankungen in solchen energieverbrauchenden Systemen können aufgrund des Einflusses der Zeitrichtung nicht mit klassischen physikalischen Methoden beschrieben werden
• Quantitative Vorhersagen zum Verhalten aktiver Materie können einen Ausgangspunkt für die experimentelle Gestaltung solcher Systeme bilden
Bei der Beschreibung gemeinsamer Eigenschaften von makroskopischen physikalischen Systemen werden mikroskopische Schwankungen in der Regel gemittelt, was zu einer Beschreibung des typischen Verhaltens der Systeme führt. Diese Vereinfachung hat zwar ihre Vorteile, lässt jedoch die wichtige Rolle von Schwankungen außer Acht, die oft dramatische Auswirkungen auf die Dynamik haben können. Dies zeigen auch die Extrembeispiele katastrophaler Ereignisse wie Vulkanausbrüche und Finanzmarktkrisen. Andererseits ist die detaillierte Untersuchung der Dynamik einzelner mikroskopischer Freiheitsgrade selbst bei Systemen mit wenigen Teilchen zu aufwendig. Um die Schnittstelle zwischen diesen beiden Extremen zu beschreiben, werden häufig stochastische Feldtheorien verwendet, um die Dynamik komplexer Systeme und die Auswirkungen von mikroskopischen Schwankungen zu charakterisieren.
Aufgrund ihrer überwältigenden Komplexität ist es mit traditionellen Methoden der Physik nicht möglich, solche Fluktuationen in Systemen lebender oder aktiver Materie zu analysieren und Vorhersagen zu treffen. Da diese Systeme fortwährend Energie verbrauchen, besitzen sie dynamische Eigenschaften, die nicht den Gesetzen der Thermodynamik im Gleichgewicht entsprechen und eine zeitliche Richtung haben. In einer aktuellen Studie ist es Martin Johnsrud und Ramin Golestanian vom Fachbereich Physik lebender Materie (LMP) am MPI-DS gelungen, eine theoretische Beschreibung zu entwickeln, mit der sich die Rolle von Schwankungen in Systemen genau charakterisieren lässt.
„Aus mathematischer Sicht ist es schwierig, das Verhalten solcher Systeme mit herkömmlichen Werkzeugen der statistischen Mechanik vorherzusagen“, erklärt Johnsrud, Erstautor der Studie. Die Physiker entwickelten daher ein neues geeignetes mathematisches Werkzeug, das die bestehenden Feldtheorien erweitert. So sind sie nun in der Lage, Vorhersagen über Systeme außerhalb des Gleichgewichts zu treffen, wozu auch aktive Materie zählt. „Mit unserem Formalismus sind wir in der Lage, messbare Größen zu definieren, die zur Charakterisierung der Dynamik lebender Materie außerhalb des Gleichgewichts beitragen und die experimentelle Gestaltung künstlicher aktiver Systeme ermöglichen“, fasst Golestanian zusammen.
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Ramin.Golestanian@ds.mpg.de
Originalpublikation:
https://journals.aps.org/prresearch/abstract/10.1103/xx4z-lj5c
https://journals.aps.org/prresearch/abstract/10.1103/flzv-lq7x
Weitere Informationen:
https://www.ds.mpg.de/4106857/251127_fluctuations
Die semantisch ähnlichsten Pressemitteilungen im idw