Konjunktur aktuell: Leichte Belebung kommt, Strukturprobleme bleiben
Zum Jahresende 2025 ist weiterhin unklar, ob sich die deutsche Wirtschaft auf Erholungskurs befindet, zumal die Exportschwäche auch im Herbst andauert. Dennoch ist für das Jahr 2026 aufgrund von finanzpolitischen Impulsen und gestiegenen Realeinkommen eine leichte Belebung zu erwarten. Nach der Winterprognose des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle dürfte die Produktion dann um 1,0% zunehmen, nach 0,2% im Jahr 2025. Im September waren die IWH-Konjunkturforscher von einem Zuwachs von 0,8% für 2026 und 0,2% für das laufende Jahr ausgegangen. In Ostdeutschland wird die Expansionsrate im Jahr 2026 nach der vorliegenden Prognose demographisch bedingt wohl etwas niedriger ausfallen.
Die internationale Konjunktur scheint am Ende des Jahres 2025 weiter robust. Angesichts der amerikanischen Hochzollpolitik ist insbesondere die Stärke des Welthandels bemerkenswert. Von der Wirtschaftspolitik dürften im Jahr 2026 per saldo keine großen Impulse ausgehen. Dabei dürfte sich die weltwirtschaftliche Expansion etwas abschwächen. Die US-Konjunktur wird zwar von den hohen Investitionen im Tech-Sektor gestützt, die recht hohe Inflation und ein schwächelnder Arbeitsmarkt werden aber den privaten Konsum belasten. Im Euroraum dürfte sich die wirtschaftliche Expansion, gestützt von steigenden Reallöhnen, in geringem Tempo fortsetzen. Aus dem Boom um die wirtschaftliche Nutzung von Künstlicher Intelligenz (KI) ergeben sich Chancen und Risiken. So erfolgt in jüngerer Zeit die Finanzierung der KI-Investitionen zunehmend über weniger transparente Instrumente und Kredite, wovon Gefahren für die Stabilität der Finanzmärkte ausgehen könnten. Auch die hohe und steigende Staatsverschuldung in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften stellt ein Risiko dar, zumal sich in vielen Ländern kaum mehr parlamentarische Mehrheiten für durchgreifende Reformen finden lassen.
In Deutschland hatte sich die Unternehmensstimmung im Frühjahr aufgehellt, seit dem Sommer hat der Optimismus in den Unternehmen aber nicht mehr zugenommen. Die Produktion hat im dritten Quartal lediglich stagniert. Dabei nahm der öffentliche Konsum wiederum deutlich zu, während die privaten Haushalte ihre Ausgaben zurücknahmen und die Exporte recht deutlich sanken. Die Investitionen legten nach einem kräftigen Rückgang im zweiten Quartal wieder etwas zu, vor allem aufgrund höherer staatlicher Ausrüstungsinvestitionen, hinter denen wohl zum Großteil Verteidigungsausgaben stehen. Insgesamt ist die Beschäftigung leicht zurückgegangen. Vor diesem Hintergrund ist die Lohndynamik bemerkenswert kräftig. Weil aus Lohneinkommen mehr konsumiert wird als aus Vermögenseinkommen, dürften die Haushalte ihre Ausgaben im Jahr 2026 in der Tendenz ausweiten. „Was die deutsche Konjunktur aber vor allem beleben dürfte, sind die zusätzlichen öffentlichen Ausgaben für Infrastruktur und Verteidigung, auch wenn die Verausgabung der Gelder wegen Umsetzungsproblemen deutlich schleppender verlaufen wird als geplant“, sagt Oliver Holtemöller, Leiter der Abteilung Makroökonomik und Vizepräsident des IWH. Dafür, dass auch die Exporte im Jahr 2026 wieder leicht steigen, spricht, dass die dämpfenden Effekte der US-Zollerhöhungen auslaufen dürften. Insgesamt wird die Erholung aber von der Binnenwirtschaft getragen sein.
Die konjunkturelle Erholung im Jahr 2026 stützt sich nach der vorliegenden Prognose im Wesentlichen auf höhere Investitionen aufgrund des finanzpolitischen Impulses und auf wieder etwas steigende Exporte. Beide Teile der Prognose sind aber mit Unsicherheit behaftet. So könnten die Kapazitäten von Bau- und Rüstungswirtschaft schneller ausgeschöpft sein als hier unterstellt. In diesem Fall würde der finanzpolitische Impuls statt Produktions- vor allem Preiseffekte zur Folge haben, allenfalls mit geringen Multiplikatoreffekten aufgrund höherer Einkommen in den begünstigten Wirtschaftszweigen. Die Stabilisierung der Exportwirtschaft ist dann gefährdet, wenn die chinesische Wirtschaftspolitik verstärkt darauf setzt, die schwache Binnennachfrage in China mit Hilfe von Subventionen durch Gewinnung neuer Exportmärkte zu kompensieren. „Davon wäre die deutsche Exportwirtschaft wohl besonders betroffen, denn auf vielen Märkten für Güter des Verarbeitenden Gewerbes sind chinesische und deutsche Unternehmen direkte Konkurrenten“, sagt Oliver Holtemöller. Darüber hinaus würde eine Verschlechterung der internationalen Rahmenbedingungen auch hierzulande die Konjunktur treffen, so der Konjunkturforscher.
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Oliver Holtemöller
Tel +49 345 7753 800
oliver.holtemoeller@iwh-halle.de
Originalpublikation:
Drygalla, Andrej; Exß, Franziska; Heinisch, Katja; Holtemöller, Oliver; Kämpfe, Martina; Kozyrev, Boris; Lindner, Axel; Mukherjee, Sukanya; Offen, Karoline; Sardone, Alessandro; Schult, Christoph; Schultz, Birgit; Zeddies, Götz: Konjunktur aktuell: Leichte Belebung kommt, Strukturprobleme bleiben. IWH, Konjunktur aktuell, Jg. 13 (4), 2025. Halle (Saale) 2025.
https://www.iwh-halle.de/fileadmin/user_upload/publications/konjunktur_aktuell/Konjunktur-aktuell_2025-4.pdf,
https://doi.org/10.18717/ka1cz0-5f67
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