Traurige Menschen achten genauer auf Details
Studie aus der Psychologie untersucht den Einfluss von Stimmungen auf das Ertasten von Oberflächen
Traurigkeit schärft den Sinn für Details: Laut einer aktuellen Studie aus der Wahrnehmungspsychologie der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) nehmen traurige Menschen Details in Oberflächen aufmerksamer wahr als Menschen in fröhlicher Stimmung. Letztere neigen eher dazu, nur die Gesamtstruktur bzw. das „große Ganze“ wahrzunehmen. Für die Studie, die jetzt im Fachjournal „i-Perception“ veröffentlicht wurde, untersuchte das Forschungsteam die Teilnehmenden und versetzte sie mithilfe von Musik in traurige oder fröhliche Stimmung.
Die Teilnehmenden sollten 3D-gedruckte Formen erfühlen, die aus vielen kleineren Formen aufgebaut waren – zum Beispiel ein Dreieck, bestehend aus vielen kleinen Kreisen. Wie erwartet schenkten Personen in trauriger Stimmung den kleinen Formen mehr Aufmerksamkeit als diejenigen in fröhlicher Stimmung. „Insgesamt zeigen unsere Ergebnisse, dass die Stimmung die Wahrnehmung erfühlter Oberflächen beeinflusst“, erklärt die Erstautorin Dr. Müge Cavdan. „Eine mögliche Erklärung ist, dass wir in fröhlicher Stimmung diesen Zustand aufrechterhalten möchten und daher lieber leicht zugängliche, überschlägige Information nutzen. Traurigkeit hingegen kann darauf hinweisen, dass etwas nicht stimmt, und veranlasst uns daher, genauer auf Details zu achten.“
Dass glückliche und traurige Stimmungen die visuelle Wahrnehmung beeinflussen, war bereits bekannt. Dem Forschungsteam ging es jetzt darum, die Effekte auf die haptische Wahrnehmung genauer zu untersuchen: „Wenn wir mit der Hand über eine Oberfläche streichen, sammeln wir ganz natürlich Informationen über ihre Beschaffenheit und ihre Textur“, erklärte die Autorin. „Unsere Wahrnehmung der Oberfläche ist jedoch nicht immer gleich, sondern verändert sich mit unserer Stimmung. Ein Pullover kann sich angenehm anfühlen, wenn wir gut gelaunt sind, aber kratzig oder störend, wenn wir traurig oder gestresst sind.“
Die Teilnehmenden untersuchten Formen, die entweder in ihrer Grundform oder in den Details mit der Ausgangsform übereinstimmten, und sollten angeben, welcher Vergleichsreiz dem Probenreiz ähnlicher erschien. In der „traurigen” Gruppe wählten die Teilnehmer häufiger den Reiz mit den identischen Details als in der „glücklichen” Gruppe. Sowohl die Teilnehmenden in fröhlicher Stimmung als auch die neutrale Vergleichsgruppe wählten dagegen eher die globale Grundform.
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Prof. Dr. Knut Drewing, Allgemeine Psychologie
E-Mail: Knut.Drewing@psychol.uni-giessen.de
Originalpublikation:
Cavdan, M., Kapucu, A., Doerschner, K., & Drewing, K. (2025). Unpleasant mood is linked to local processing in haptics. I-Perception, 16(6).
https://doi.org/10.1177/20416695251403885 (Original work published 2025)
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