Das „mitdenkende“ Mikroskop im Einsatz
Hochsensibles Gerät mit vollautomatisierter Funktionsweise
Die Lichtmikroskopie ist zwar das älteste Verfahren zum Nachweis und zum Studium von Bakterien und anderen Mikroorganismen, aber immer noch gut für Innovationen. Die Forschungsgruppe „Translationale Klinische Mikrobiologie“ am Friedrich Loeffler-Institut für Medizinische Mikrobiologie an der Universitätsmedizin Greifswald arbeitet mit einem hochmodernen EU-geförderten Mikroskop an der Beschleunigung und Optimierung diagnostischer Prozesse.
Das Gerät verfügt unter anderem über eine umfangreiche Software zur automatischen Bedienung und Bildanalyse. Diese soll genutzt werden, um Lösungen für eine KI-gestützte, effiziente Erkennung von Mikroorganismen zu entwickeln. Insgesamt wird dadurch die mikrobiologische Diagnostik gerade in zeitkritischen Situationen optimiert.
In der diagnostischen Mikrobiologie ist Zeit ein ebenso wichtiger wie limitierender Faktor. Im Projekt „Innovative mikroskopische Methoden zur beschleunigten Infektionsdiagnostik“ geht es darum, diese begrenzte Zeit bestmöglich zu nutzen. Gerade bei Krankheitsbildern wie der Sepsis (umgangssprachlich „Blutvergiftung“) und angesichts zunehmender Probleme durch (multi-) resistente Erreger ist eine schnelle und korrekte Diagnose entscheidend, teils innerhalb von Stunden. „Die Sterblichkeit bei der Sepsis ist auch heute noch hoch und mit allen Kräften versuchen wir diese zu reduzieren“, sagt Prof. Dr. Evgeny A. Idelevich, Leiter der Forschungsgruppe. Der Blick durch das Mikroskop auf eine entsprechende Probe muss daher zuverlässig Auskunft über das Vorhandensein und die Art eines Erregers geben. Daraus können wichtige Hinweise abgeleitet werden, welches Antibiotikum für eine Behandlung infizierter Patienten in Frage kommen können.
Parallel zur Mikroskopie werden die Untersuchungsmaterialien grundsätzlich auch zur Anzucht der Erreger verarbeitet. Diese kontrollierte Vermehrung der Mikroben ermöglicht eine umfangreiche Analyse ihrer Eigenschaften. „Dieser Prozess erfordert allerdings üblicherweise mindestens eine Kultivierung über Nacht, so dass die weiteren Prozesse zur Identifizierung und Resistenztestung der Erreger erst am nächsten Tag weitergeführt werden können“, erklärt Institutsdirektor Prof. Dr. Karsten Becker. Mit dem sensitiveren und schnelleren mikroskopischen Verfahren im aktuellen Projekt wird die translationale Forschungsgruppe sehr viel häufiger schon am Vortag entscheidende Hinweise auf den Erreger bekommen. Der Vorteil ist eindeutig: Gerade in Notfallsituationen wie der Sepsis können schwere Folgen durch schnellere Diagnostik aufgrund zeitnah angepasster Antibiotkatherapie vermieden werden.
Seit weit über Hundert Jahren stellen allein der Blick des menschlichen Auges und die Erfahrung der Mikroskopierenden den Standard in der Mikroskopie dar, um Erreger zu erkennen und zu bestimmen. Bei der oftmals großen Vielzahl an Präparaten ist die Erkennung mit dem Auge jedoch zeitaufwendig und ermüdend. Oft müssen sehr viele mikroskopische Ausschnitte der Proben, sogenannte Gesichtsfelder, begutachtet werden, nicht selten mehr als Hundert. Genau hier kann Künstliche Intelligenz unterstützend wirken. Das EU-geförderte Mikroskop mit seiner algorithmisch verstärkten Software bietet den Vorteil, dass es durch maschinelles Lernen eine künstliche Form von Erfahrung zur Erregererkennung aufbauen kann. Hierzu werden die Algorithmen zunächst aufwendig trainiert und tatsächliche Erregerstrukturen von diagnostisch erfahrenen Mitgliedern der Arbeitsgruppe markiert. So lernt die Künstliche Intelligenz aus den Bildern und kann danach mit zunehmender Genauigkeit eigenständig eine immer bessere Vorauswahl treffen. Beispielsweise können so „leere“ Gesichtsfelder ausgeblendet werden, die in diesem Fall für die Diagnostik ohne Relevanz sind. Es geht also darum, den Arbeitsprozess zu erleichtern und zu verkürzen. Der Entscheidungsprozess selbst bleibt auch zukünftig in der Hand mikrobiologischer Fachärzte.
„Dieses System ist so universell, das es viele Möglichkeiten zur Entwicklung von innovativen mikroskopischen Methoden in der diagnostischen Mikrobiologie bietet“, sagt Prof. Dr. Idelevich. Zu den weiteren Anwendungsmöglichkeiten gehört zudem die Fähigkeit, Präparate mithilfe vollständig automatisierter Objekttische komplett abzuscannen. Autofokussierung und die automatische Erkennung von Elementen sind ebenso möglich wie die Inkubation von Proben direkt auf dem Objekttisch. „Jede Innovation zur beschleunigten Diagnose ist ein Gewinn für alle Patientinnen und Patienten“, sagt der wissenschaftliche Vorstand der Universitätsmedizin Greifswald, Prof. Dr. Karlhans Endlich. „Das Mikroskop erweitert deutlich unsere Möglichkeiten, beschleunigte Verfahren in der Infektionsdiagnostik zu erforschen.“
Das Projekt „Innovative mikroskopische Methoden zur beschleunigten Infektionsdiagnostik“ (WIG-24-0044) wird im Rahmen des EFRE Programms 2021 bis 2027 des Landes Mecklenburg-Vorpommern aus Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung der Europäischen Union gefördert.
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