Individuelle Unterschiede im Erbgut machen manche Therapien wirkungslos
Das Genom unterscheidet sich von Mensch zu Mensch an Tausenden Positionen. In manchen Fällen hat das zur Folge, dass auch Proteine stellenweise einen anderen Baustein aufweisen. Das kann dazu führen, dass bestimmte antikörperbasierte Therapien nicht wirken, berichten Forschende der Universität Basel.
Ob gegen Krebs, Rheuma oder Multiple Sklerose: Bei vielen Erkrankungen kommen Therapien auf Basis von Antikörpern zum Einsatz. Antikörper erkennen ganz spezifische Strukturen und binden daran. So können sie beispielsweise Wirkstoffe an genau die richtige Zielstruktur im Körper heranführen.
Forschende der Departemente Biomedizin und Biozentrum der Universität Basel berichten nun in «Science Translational Medicine»: Individuelle Unterschiede im Erbgut können bei einigen Menschen verhindern, dass antikörperbasierte Therapien wirken.
Variationen sind häufiger als gedacht
Das Forschungsteam um Dr. Rosalba Lepore und Prof. Dr. Lukas Jeker hat Erbgutsequenzen Tausender Menschen aus bereits veröffentlichten Studien mit computergestützten Methoden analysiert. Die im Erbgut enthaltene DNA-Sequenz bestimmt die Abfolge der Aminosäure-Bausteine von Proteinen. Erbgutvariationen können deshalb auch zu einer veränderten Aminosäure-Abfolge führen. Das Augenmerk der Forschenden lag auf Aminosäuren an den Andockstellen etablierter Antikörpertherapien. Die Andockstellen von Antikörpern heissen in Fachkreisen auch Epitope.
Eine einzelne ausgetauschte Aminosäure im Epitop kann bedeuten, dass der Antikörper nicht mehr andocken kann. Insgesamt untersuchte das Team die Bindungsstellen von 87 therapeutischen Antikörpern, die unter anderem bei Krebstherapien oder Autoimmunerkrankungen eingesetzt werden.
Das Team stiess auf eine erstaunlich grosse Vielzahl an natürlich vorkommenden Varianten der Aminosäure-Abfolge in Epitopen. «Diese Varianten tragen nicht selbst zur Erkrankung bei», betont Rosalba Lepore. «Der Grossteil beeinträchtigt auch nicht die Funktion des betroffenen Proteins. Aber sie können die Therapie unwirksam machen.»
Ausweichen auf andere Antikörper
Mithilfe von Computermodellen berechneten die Forschenden, welche der Varianten die Bindung der Antikörper behindern könnten. Für vier medizinisch wichtige Zielproteine und die dazugehörigen Antikörper prüften die Forschenden anschliessend die Vorhersagen. Für jedes der analysierten Proteine testete das Team mehrere therapeutische Antikörper. In den Laborexperimenten zeigte sich, dass oft ein Antikörper nicht mehr binden konnte, ein anderer, der an eine etwas andere Stelle des Zielproteins andockt, hingegen schon.
Zwar ist der Anteil an Patientinnen und Patienten, bei dem eine solche Variante auftritt und die Wirksamkeit der Therapie verhindert, relativ klein. Für den Grossteil der Varianten ist weniger als eine von hundert Personen betroffen. Trotzdem ist Lukas Jeker überzeugt: «Es ist wichtig, dass Medizinerinnen und Mediziner an diesen Aspekt denken, wenn eine Therapie nicht wirkt.»
Hinzu kommt, dass viele antikörperbasierte Therapien sehr teuer sind, dazu gehören beispielsweise CAR-T-Zellen, die gegen bestimmte Krebserkrankungen zum Einsatz kommen. «Ein genetischer Test, ob die Therapie überhaupt wirken kann, wäre im Vergleich ein kleiner Kostenpunkt», sagt Dr. Romina Marone, Co-Erstautorin der Studie. Auch für neue Therapien wäre das relevant, fügt Rosalba Lepore hinzu: «Für klinische Studien kann es sich lohnen, die Bindungsstelle der Antikörpertherapie bei den Teilnehmenden zuerst zu testen.»
Gehäufte Varianten je nach Weltregion
Eine weitere Erkenntnis aus den Analysen: Bestimmte Varianten in Zielproteinen kommen zwar beispielsweise in Europa sehr selten vor. In einer anderen Weltregion treten sie aber häufiger auf und werden dadurch klinisch relevant.
«Noch gibt es für einige Weltregionen sehr viel weniger Erbgutsequenz-Daten als für Europa oder Nordamerika», erklärt die Bioinformatikerin Rosalba Lepore. «Dadurch übersehen wir womöglich eine Häufung solcher therapierelevanter Varianten in bestimmten Bevölkerungsgruppen.» Hier gebe es grossen Nachholbedarf.
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Prof. Dr. Lukas Jeker, Universität Basel, Departement Biomedizin, E-Mail: lukas.jeker@unibas.ch
Dr. Rosalba Lepore, Universität Basel, Departement Biomedizin, E-Mail: rosalba.lepore@unibas.ch
Originalpublikation:
Romina Marone, Erblin Asllanaj, Giuseppina Capoferri, Torsten Schwede, Lukas T. Jeker, & Rosalba Lepore.
Single-amino acid variants in target epitopes can confer resistance to antibody-based therapies
Science Translational Medicine (2025), doi: 10.1126/scitranslmed.ady4877
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