Kinder wollen mitreden
Die Stiftung Kindergesundheit informiert über Mitbestimmung in der Gesundheitsversorgung und Ergebnisse einer repräsentativen Befragung
München, 22. Dezember 2025 – Kinder und Jugendliche wollen verstehen, was mit ihrer Gesundheit geschieht, und sie möchten mitreden. Das zeigt der aktuelle Kindergesundheitsbericht 2025 der Stiftung Kindergesundheit, für den eine repräsentative forsa-Befragung von 1.006 Eltern sowie ihren Kindern im Alter von 8 bis 17 Jahren durchgeführt wurde.
„Kinder sind nicht nur passive Patientinnen und Patienten, sondern aktive Beteiligte ihrer eigenen Gesundheitsversorgung", betont Kinder- und Jugendarzt Prof. Dr. Berthold Koletzko, Vorsitzender der in München beheimateten Stiftung Kindergesundheit. „Wir wissen aus Studien, dass sie von verständlicher Information und echter Mitsprache deutlich profitieren. Es ist unsere Aufgabe, Rahmenbedingungen zu schaffen, die Kindern ermöglichen, ihre Stimme zu nutzen und gehört zu werden."
Kinder und Jugendliche sollten altersgerecht an Entscheidungen beteiligt werden, die ihre Gesundheit betreffen. Dazu gehört, dass ihnen zugehört wird, dass sie verständliche Informationen erhalten, Fragen stellen dürfen und – abhängig von ihrem Alter – in Entscheidungen einbezogen werden. Dieses Recht ist in der UN-Kinderrechtskonvention verankert und gilt für alle Kinder.
Was Kinder heute erleben
Die von der Stiftung Kindergesundheit mit dem forsa-Institut durchgeführte Befragung zeigt zwar ein überwiegend positives Bild. Fast alle Kinder (97 Prozent) wussten beim letzten Arztbesuch vorher, warum sie zum Arzt gehen. Eine große Mehrheit (88 Prozent) fühlte sich ernst genommen, und etwa zwei Drittel erhielten Erklärungen zu Untersuchungen und Behandlungen. Die Einschätzungen der Eltern und der Kinder unterscheiden sich dabei nur wenig.
Gleichzeitig wird aber deutlich, dass die Beteiligung oft nicht ausreicht: Rund ein Drittel der befragten Kinder und Jugendlichen berichtet, beim Arzt nur wenig oder eher wenig mitentscheiden zu können. Mehr als die Hälfte dieser Gruppe (55 Prozent) wünscht sich ausdrücklich mehr Mitsprache. Auch viele Eltern sehen hier Verbesserungsbedarf. Unter den Sorgeberechtigten, die den Eindruck haben, ihr Kind könne nur wenig mitentscheiden, wünschen sich 47 Prozent eine stärkere Beteiligung für ihr Kind.
Was Kinder vermissen
Besonders aufschlussreich sind die Hinweise, die die Kinder selbst geben. Fast die Hälfte der Befragten (48 Prozent) sagt, dass ihnen einfachere Erklärungen helfen würden, medizinische Entscheidungen besser zu verstehen. Viele Kinder wünschen sich außerdem, dass Ärztinnen und Ärzte häufiger direkt mit ihnen sprechen (29 Prozent) und sich mehr Zeit für ihre Fragen nehmen (27 Prozent).
Auffällig ist, dass acht- bis dreizehnjährige Kinder häufiger als ältere Jugendliche angeben, dass ihnen einfache Erklärungen und eine direkte Ansprache fehlen. Mädchen berichten häufiger als Jungen, dass sie sich mehr Zeit für ihre Fragen wünschen.
Warum Partizipation wirkt
Diese Ergebnisse zeigen, dass Kinder und Jugendliche sehr gut in der Lage sind, Wünsche und Bedürfnisse zu äußern – vorausgesetzt, sie werden gefragt, verständlich informiert und in die Gespräche einbezogen. Partizipation ist dabei weit mehr als ein freundliches Entgegenkommen. Sie stärkt das Selbstbewusstsein, das Vertrauen in medizinisches Personal und das Gefühl von Selbstwirksamkeit.
Kinder, die in Entscheidungen einbezogen werden, entwickeln ein besseres Verständnis für ihre eigene Gesundheit, erleben weniger Angst und können medizinische Empfehlungen leichter nachvollziehen und mittragen. Damit steigt nicht nur ihre Zufriedenheit, sondern häufig auch der Behandlungserfolg.
Wo es noch hakt
Aus Sicht der Eltern sind die größten Hindernisse für mehr Mitbestimmung: Dass sich das Kind nicht traut, Fragen zu stellen oder Wünsche zu äußern (38 Prozent), dass Ärztinnen und Ärzte nur oder vorwiegend mit den Eltern sprechen (31 Prozent) und dass das Kind inhaltlich überfordert ist (29 Prozent). Jedes fünfte Elternteil (20 Prozent) sieht zudem ein Problem darin, dass sich Ärztinnen und Ärzte zu wenig Zeit für die Fragen oder Wünsche des Kindes nehmen.
Wie Eltern die Teilhabe ihres Kindes unterstützen können:
• Vor dem Arztbesuch: Erklären Sie altersgerecht, was beim Termin passieren wird – ehrlich, aber ohne Angstmacherei. Jüngeren Kindern helfen Bilderbücher oder kleine Rollenspiele. Mit älteren Kindern können gemeinsam Fragen vorbereitet werden, die sie der Ärztin oder dem Arzt stellen möchten.
• Während des Arztbesuchs: Ermutigen Sie die Ärztin oder den Arzt, das Gespräch zunächst mit dem Kind zu beginnen. Lassen Sie das Kind selbst Symptome schildern, bevor Sie als Eltern ergänzen. Viele Kinder können gut beschreiben, was ihnen fehlt oder was ihnen Sorgen macht, sofern sie die Gelegenheit dazu bekommen. Geben Sie dem Kind Zeit zu antworten, statt für es zu sprechen.
• Kleine Wahlmöglichkeiten einräumen: Das Kind kann in kleine Entscheidungen einbezogen werden. Falls die behandelnde Ärztin/der behandelnde Arzt nicht nachfragt, können Sie dies übernehmen – etwa welcher Arm zuerst untersucht wird oder ob es lieber auf dem Stuhl oder auf dem Schoß der Eltern sitzen möchte. Solche kleinen Wahlmöglichkeiten stärken das Gefühl, mitbestimmen zu können. Ermutigen Sie Ihr Kind sich auch mitzuteilen, wenn etwas zu schnell geht oder unangenehm ist.
• Verständnis sicherstellen: Fragen Sie Ihr Kind während und nach dem Gespräch: „Hast du das verstanden?“ oder „Möchtest du noch etwas wissen?“
• Selbstständigkeit fördern: Ältere Kinder und Jugendliche können ihren Impfpass und ihr Untersuchungsheft selbst mitbringen. Bei der Medikamentengabe können auch jüngere Kinder einbezogen werden, etwa beim Tropfen zählen oder Saft abmessen. Bei chronischen Erkrankungen hilft ein Symptomtagebuch, das das Kind je nach Alter selbst oder gemeinsam mit den Eltern führt.
• Nach dem Termin: Ein kurzes gemeinsames Gespräch hilft, den Besuch einzuordnen: Was war gut, was vielleicht schwierig, und was könnte das nächste Mal anders laufen? Diese Reflexion unterstützt Kinder darin, ihre eigenen Bedürfnisse besser wahrzunehmen und fördert ihre Selbstwirksamkeit.
Ein Grund für Optimismus: Der Kindergesundheitsbericht 2025 zeigt, dass in vielen Arztpraxen und Kliniken bereits gute Grundlagen vorhanden sind. Mit klarer, verständlicher Kommunikation und einer Haltung, die Kinder und Jugendliche als aktive Partner ihrer eigenen Gesundheitsversorgung begreift, können Ärztinnen und Ärzte sowie Pflegepersonal gemeinsam mit Eltern dazu beitragen, dass Mitbestimmung zum festen Bestandteil einer kindgerechten Gesundheitsversorgung wird.
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