Zeitzeuge der Universitätskirchen-Sprengung in Leipzig wird Ehrendoktor der Alma mater
An die Tage vor dem schicksalhaften 30. Mai 1968, dem Tag der Sprengung der Leipziger Universitätskirche, erinnert sich Prof. Dr. Harald Fritzsch noch sehr genau. Damals war er Physik-Student an der Universität Leipzig. "Die Sprengung war eine verrückte Aktion von Ulbricht", denkt er heute an die bewegte Zeit zurück, die auch seinem Leben eine jähe Wendung gab. Die Sprengung des Gotteshauses auf Geheiß der SED-Regierung verursachte in ihm eine solche Abneigung, dass er wenige Tage später mit einem Freund eine spektakuläre Protestaktion bei einem Konzert in der Kongresshalle initiierte.
Danach war die DDR-Staatssicherheit den beiden Männern so dicht auf den Fersen, dass sie in einer spektakulären Aktion mit dem Faltboot von Bulgarien aus in den Westen flüchten mussten.Kurz nach der Wende schrieb der renommierte Physiker seine Erlebnisse in dem Buch "Flucht aus Leipzig" nieder. Am 16. Mai wird ihm die Ehrenpromotion der Fakultät für Physik und Geowissenschaften der Universität Leipzig verliehen.
Auch wenn der heute 70-Jährige seine wissenschaftliche Laufbahn an der Physik-Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität in München offiziell beendet hat, jettet er noch viel in der Welt umher und hält Vorträge über die Entwicklung der Quantenchromodynamik (QCD), die zu seinen größten wissenschaftlichen Erfolgen zählt, aber auch über die Protestaktion gegen die Sprengung der Pauliner-Kirche und seine Flucht in den Westen. "Wir fanden die Aktion gerechtfertigt und haben uns keine Gedanken gemacht, wie gefährlich das werden könnte", berichtet der gebürtige Zwickauer. Er und sein Freund Stefan Welzk, der bei der Ehrenpromotionsfeier auch dabei sein wird, ließen damals per Zeitschaltung ein Transparent über den Köpfen der Konzertzuschauer entrollen, auf dem sie den Wiederaufbau der Universitätskirche forderten. Ein ebenso mutiges wie gefährliches Unterfangen.
Fünf Jahre seines Lebens verbrachte er in Leipzig. Später war Prof. Fritzsch immer mal wieder an der Alma mater zu Gast, unterhält bis heute Kontakte zu Physik-Professoren der Universität. "Herr Fritzsch hat in der Physik mehrfach Grenzen überschritten, zum Beispiel mit der Entwicklung der Quantenchromodynamik. Auch bei der Sprengung der Pauliner-Kirche oder bei der Flucht per Faltboot hat er dies für alle sichtbar demonstriert. Wir hatten das Glück, dass er bei uns Physik studiert hat und wir freuen uns, ihn als Ehrendoktor wieder zu uns holen zu können, denn er ist lebendiger Teil unserer Tradition", sagte der Dekan der Physik-Fakultät, Prof. Dr. Jürgen Haase.
Weitere Informationen:
Prof. Dr. Jürgen Haase
Fakultät für Physik und Geowissenschaften
Telefon: +49 341 97-32601
E-Mail: j.haase@physik.uni-leipzig.de
Prof. Dr. Harald Fritzsch
Telefon: +49 89-21804380
E-Mail: fritzsch@mpp.mpg.de
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