„Soziale Innovationen“ brauchen auch Innovationsförderung
EFI: Forschungs- und Innovationsförderung in Deutschland zu technologisch orientiert – Stärkere Förderung sozialer Innovationspotenziale notwendig – Mehr Förderung sozialer Innovationen kein Aufruf zu staatlicher Dauerfinanzierung von Sozialreformen.
Berlin, 22. Februar 2016: In ihrem Jahresgutachten, das am 17. Februar der Bundeskanzlerin in Berlin übergeben wurde, geht die Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) auch auf die Kritik ein, dass Forschungs- und Innovationsförderung in Deutschland zu technologieorientiert sei: „Wir haben die Sorge, durch die Fokussierung auf ein technologisches Innovationsverständnis mögliche Lösungsräume zu verengen und in der Förderpolitik wichtige soziale Innovationspotentiale brach liegen zu lassen“, so Prof. Christoph Böhringer von der Universität Oldenburg und Mitglied der Expertenkommission. „Schon 2008 hatte sich die EFI in ihrem Jahresgutachten für eine breitere Definition des Innovationsbegriffs ausgesprochen.“ Zwar wurden seit 2010 auf EU-Ebene und auch in Deutschland soziale Innovationen in verschiedenen Projekten gefördert, aber die Expertenkommission fordert von der Bundesregierung nun „mutige Schritte“ ein, so Prof. Böhringer, „um mit neuen Formaten der Partizipation und mit neuen Förderinstrumenten zu experimentieren.“ Diese Schritte sollten „systematisch wissenschaftlich vorbereitet, begleitet und anschließend bewertet werden.“
„Soziale Innovationen können einen wichtigen Beitrag zur Bewältigung großer gesellschaftlicher Herausforderungen leisten“, erklärt Prof. Böhringer und nennt Beispiele für soziale Innovationen aus den letzten Jahrzehnten: Die Einführung der Hospize, Wikipedia, die Mikrokredite des Friedensnobelpreisträgers Yunus, Mehrgenerationenhäuser und andere mehr.
Soziale Innovationen stünden für Veränderungen in der Nutzung von Technologien sowie Veränderungen von Lebensstilen, Geschäfts- und Finanzierungsmodellen, Arbeitsweisen oder Organisationsformen. Zugleich könnten sie – müssten aber nicht – durchaus kommerziell erfolgreich sein. Beispiele neuer sozialer Innovationen seien „Discovering Hands“, eine innovative Untersuchungsmethode zur Brustkrebsfrüherkennung durch blinde Frauen, oder auch die jüngsten Digital-Startups wie der Immobilienvermittler „Airbnb“ und der Taxidienst „Uber“, deren Geschäftsmodelle auf neue Formen des Zusammenlebens und der Mobilität setzten.
Die Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI), unter Vorsitz von Prof. Dietmar Harhoff vom Max-Planck-Institut für Innovation und Wettbewerb, empfiehlt der Bundesregierung in ihrem neuen Jahresgutachten 2016, soziale Innovationen deutlich stärker als bisher in den Blick zu nehmen, insbesondere vor dem Hintergrund großer gesellschaftlicher Herausforderungen wie dem Klimawandel. Mit neuen Formaten der gesellschaftlichen Partizipation – wie internetbasierten Bürgerdialogen – und Förderinstrumenten wie Preisgeld-Wettbewerben oder Real-Laboren sollte im Kontext sozialer Innovationen verstärkt experimentiert werden.
Preisgeld-Wettbewerbe seien ein „flexibles Instrument“ zur staatlichen Förderung von sozialen Innovationen, die im Unterschied zu technologischen Innovationen weniger stark durch Patente abgesichert werden könnten. Auch „Real-Labore“ seien ein alternatives Förderinstrument: „In Feldexperimenten bringen Wissenschaftler im engen Dialog mit kommunalen Vertretern, der Wirtschaft und Bürgern innovative Veränderungen auf den Weg, dokumentiert und bewertet durch begleitende wissenschaftliche Studien“, so Böhringer.
Allerdings hält die Expertenkommission einen Paradigmenwechsel in der staatlichen Forschungs- und Innovationsförderung nicht für notwendig. Unabhängig von einer sozialen oder technologischen Ausrichtung bestehe Förderfähigkeit grundsätzlich dann, wenn Innovationen, die gesellschaftspolitisch wünschenswert sind, privatwirtschaftlich nicht oder nicht in ausreichendem Maße bereitgestellt werden. Die Förderung sozialer Innovationen könnte auch genutzt werden, um verstärkt auf gesellschaftliche Partizipation zu setzen. Eine stärkere Einbindung der Bürger bei der Prioritätensetzung in der Forschungs- und Innovationsförderung hatte die EFI bereits in früheren Gutachten empfohlen.
Es sollten jedoch nur soziale Innovationen gefördert werden, die nach dem Auslaufen einer öffentlichen Anschubfinanzierung des Projektes nachweislich ausreichend Potenzial für wirtschaftliche Nachhaltigkeit hätten. Böhringer abschließend: „Der Ruf nach Förderung sozialer Innovation darf nicht als Befürwortung neuer staatlicher Dauerfinanzierungen missverstanden werden.“
Weitere Informationen:
http://tinyurl.com/EFI-2016
Die semantisch ähnlichsten Pressemitteilungen im idw
