Vortragsreihe "Krisen und Katastrophen aus kulturhistorischer Perspektive"
Wer heute Nachrichten konsumiert gewinnt leicht den Eindruck, dass die Welt sich in einer fundamentalen Krise befindet: Kriegskatastrophen, wirtschaftliche, ökologische und soziale Globalisierungsfolgen und daraus resultierende massenhafte Migrationsbewegungen scheinen ein bislang nie dagewesenes Ausmaß anzunehmen; politische wie kulturelle Selbstverständlichkeiten stehen auf dem Prüfstand. Unsere eigene Gegenwartserfahrung kann deshalb leicht darüber hinwegtäuschen, dass Krisen und Katastrophen alle historischen Epochen prägen und zu den grundlegenden Erfahrungen vergangener wie gegenwärtiger Kulturen zählen.
Die Vechtaer Geschichtsprofessorinnen Dr. Claudia Garnier und Dr. Christine Vogel laden im Mai und Juni zu einer Vortragsreihe in Kooperation mit dem Museum im Zeughaus: An vier Terminen referieren Historiker_innen über „Krisen und Katastrophen aus kulturhistorischer Perspektive“. Den Anfang macht am 15. Mai 2018 Georg Müller (Universität Vechta) mit dem Thema „Den Kaiser Valerian nahmen Wir mit Unseren eigenen Händen gefangen - Die Katastrophe von Edessa und die Illusion der Weltherrschaft.“ Die Vorträge beginnen jeweils um 19.00 Uhr im Museum im Zeughaus. Alle Interessierten sind herzlich eingeladen. Der Eintritt ist frei.
Die Vortragsreihe, die von Wissenschaftler_innen der Universität Vechta und auswärtigen Gästen gestaltet wird, nimmt von der römischen Antike bis zum Dreißigjährigen Krieg unterschiedliche Erscheinungsformen von Katastrophen in den Blick. Die Beiträge reichen von ökonomischen Krisen über die Auswirkungen von Krieg und Gewalt bis hin zu den Konsequenzen, mit denen Menschen diesen Bedrohungen begegneten. So sind Kriegs- und Wirtschaftsflüchtlinge keineswegs ein Phänomen, das ausschließlich die gesellschaftlichen und politischen Debatten der Gegenwart prägt. Stets geht es in den Vorträgen nicht nur um die Frage nach den Auslösern und Auswirkungen der Ereignisse, sondern auch um die Frage, wie sie in den jeweiligen kulturellen Zusammenhängen wahrgenommen und gedeutet werden.
Termine
15.5.2018: Georg Müller (Universität Vechta): „Den Kaiser Valerian nahmen Wir mit Unseren eigenen Händen gefangen“ - Die Katastrophe von Edessa und die Illusion der Weltherrschaft.
29.5.2018: Herbert Bock (Universität Vechta): Der Dreißigjährige Krieg im mittleren Hunteraum
05.06.2018: Riccardo Terrasi (Universität Vechta): Zwangsmigration im Reich der Staufer. Kriegs- und Wirtschaftsflüchtlinge in historischer Perspektive
12.06.2018. Dániel Bagi (Universität Pécs, Ungarn): Gewalt und Krisenerfahrung in der Fehdeführung des 13. Jahrhunderts
Vortrag am 15. Mai: „Den Kaiser Valerian nahmen Wir mit Unseren eigenen Händen gefangen - Die Katastrophe von Edessa und die Illusion der Weltherrschaft.“
Als sich 260 n. Chr. bei Edessa in Mesopotamien römische Legionen unter dem Kommando Kaiser Valerians und das persische Heer gegenüberstanden, sollte dies mehr als nur eine der vielen Schlachten werden, die das Imperium in immer dichterer Folge gegen immer aggressivere Eindringlinge zu schlagen hatte. Die sogenannten Soldatenkaiser mussten ihre schwindenden militärischen Ressourcen allerdings nicht nur gegen die äußeren Feinde an Rhein, Donau und Euphrat, sondern oft genug auch gegen meuternde Legionen und Usurpationen konkurrierender Generäle einsetzen. Umso wichtiger war es, die kaiserliche Macht durch Siege zu legitimieren, denn schließlich stützten sich die Purpurträger auf die vielzitierte Verheißung eines imperium sine fine (Reich ohne Grenze), das Jupiter selbst den Römern zugedacht habe. Auf der anderen Seite herrschte allerdings kein geringerer, sondern ein ebenfalls universeller Anspruch: Der Perser Schapur reklamierte für sich den Titel ‚Könige der Könige von Iran und Nicht-Iran‘. Am Ende des Show-Downs durften die Propagandisten der Perser jubeln und römische Quellen verzeichneten eine bis dahin undenkbare Katastrophe: Valerian ging in Gefangenschaft. Die Wahrnehmung des Ereignisses korrespondiert allerdings nicht mit seiner faktischen Bedeutung: Trotz vielfältiger Krisensymptome, die sich schon seit den zwanziger Jahren des 3. Jahrhunderts häuften, brach die römische Zentralgewalt keineswegs zusammen, und konnten die Perser ihren Erfolg nicht ausnutzen, sondern mussten sich unter Zurücklassung großer Teile ihrer Beute eilends hinter den Euphrat zurückziehen. Seinen Grund hatte dies vor allem in bedeutenden organisatorischen Fortschritten und sicher auch in der Tatkraft ein ‚Deus ex machina‘: Septimius Odaenathus aus Palmyra.
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