Preisverleihung: Die CLIO 2020 geht an den Film „Als Hitler das Rosa Kaninchen stahl“ von Caroline Link
Das Potsdamer „moving history – Festival des historischen Films“ hat zum dritten Mal den Preis für den besten Film zu einem historischen Thema verliehen: In diesem Jahr geht die CLIO an den Film „Als Hitler das Rosa Kaninchen stahl“ von Caroline Link. Der Preis ist mit 5.000 Euro dotiert und wird vom Filmpark Babelsberg gestiftet. Die feierliche Verleihung findet am 12. Dezember 2020, ab 12 Uhr im Filmmuseum Potsdam statt und wird live im Internet übertragen (Festival-Website http://www.moving-history.de). Das Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam (ZZF) ist erneut Partner der Veranstaltung.
»moving history« ist das erste deutsche Festival, das Filme mit historischen Themen aus der aktuellen und vergangenen Kino- und Fernsehproduktion einem breiten Publikum präsentiert. Zudem zeichnet es alljährlich mit der CLIO den besten Film zu einem historischen Thema aus. In diesem Jahr findet die Verleihung online statt: Die Preisträgerin Caroline Link und die Laudatorin Susan Neiman, Direktorin des Einstein Forums in Potsdam, werden per Video ein Gespräch über den Gewinnerfilm führen. Auch das Video-Grußwort von Noosha Aubel, Beigeordnete Bildung, Kultur, Jugend und Sport der Landeshauptstadt Potsdam, wird online zur Verfügung stehen.
Weitere Informationen zur Preisverleihung erhalten Sie über das Festivalbüro:
Karin Kleibel: presse@moving-history.de
Mit der CLIO prämiert »moving history« Filme, die sich auf besondere Weise mit einem historischen Thema befassen – Werke, deren fiktionale Handlung in der Vergangenheit angesiedelt ist, sowie Produktionen, die in der Gegenwart spielen, jedoch gesellschaftliche Probleme der Vergangenheit verhandeln. Außerdem Filme, deren geschichtlicher Stoff mit dokumentarischen oder essayistischen Mitteln erschlossen wird. Darüber hinaus werden Werke berücksichtigt, die sich einer bislang vernachlässigten oder auch heiklen Materie widmen bzw. ein bekanntes Thema auf innovative Art behandeln, indem sie die Möglichkeiten und Grenzen von Geschichtsrepräsentation mit audiovisuellen Mitteln reflektieren und ausloten und ihren Gegenstand in einem stimmigen narrativen und äs-thetischen Gesamtkonzept präsentieren.
Über die Vergabe des Preises entscheiden die Gründungsmitglieder des Festivals: die Festivalleiterin Ilka Brombach, die Vorstandsmitglieder Christoph Classen (ZZF Potsdam), Claudia Lenssen (Filmkritikerin), Felix Moeller (Regisseur und Produzent), Sachiko Schmidt (Filmmuseum Potsdam) und Chris Wahl (Filmuniversität Babelsberg). In die Auswahl kamen Filme, die ihre Uraufführung zwischen dem April 2019 und dem Mai 2020 hatten.
moving history ist eine Veranstaltung des "moving history – Festival des historischen Films Potsdame.V." in Kooperation mit der Filmuniversität Babelsberg KONRAD WOLF. Partner sind das
Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam (ZZF), das Brandenburgische Zentrum für Medienwissenschaften (ZeM) und das Filmmuseum Potsdam.
WEITERE INFORMATIONEN:
Der prämierte Film:
ALS HITLER DAS ROSA KANINCHEN STAHL (D/CH 2019, Spielfilm, 119 Min.), Regie: Caroline Link | Drehbuch: Caroline Link, Anna Brüggemann nach der gleichnamigen Vorlage von Judith Kerr (1971)
Anna ist erst neun Jahre alt, als sich ihr Leben von Grund auf ändert: Um den Nazis zu entkommen, muss ihr Vater nach Zürich fliehen; seine Familie folgt ihm kurze Zeit später. Anna lässt alles zurück, auch ihr geliebtes rosa Stoffkaninchen, und muss sich in der Fremde einem neuen Leben voller Herausforderungen und Entbehrungen stellen. Eine berührende Geschichte über Zusammenhalt, Zuversicht und darüber, was es heißt, eine Familie zu sein einfühlsam inszeniert von Oscar-Preisträgerin Caroline Link.
So begründet die Jury Ihre Entscheidung:
Die Verfolgung der europäischen Jüdinnen und Juden während des Nationalsozialismus war im Film und Fernsehen der Nachkriegszeit zunächst allenfalls ein randständiges Thema. Mit der zunehmenden Konjunktur seit den 1970er Jahren ging dann allerdings auch ein Prozess einher, den man als Ikonisierung und Stereotypisierung charakterisieren könnte: Jeder kennt die dokumentarischen und inszenierten Bilder von Massenaufmärschen, fanatischen Nazis, marodierenden SA-Trupps und psychopathisch überzeichneten SS-Männern – ganz zu schweigen von den verbreiteten „Ikonen der Vernichtung“ (Cornelia Brink) wie etwa dem Tor von Auschwitz. Diese Bilder sind heute häufig Teil von Überwältigungsdramaturgien, die kaum Raum für eine reflexive
Auseinandersetzung mit Geschichte lassen.
Nichts davon findet sich in Caroline Links Verfilmung von Judith Kerrs autobiographischem Roman ALS HITLER DAS ROSA KANINCHEN STAHL. Stattdessen sehen wir vor allem zu Anfang Bilder wie aus einer Urlaubsidylle, und die Verleiher von Nazi-Uniformen haben an diesem Film garantiert keinen Cent verdient. All das, was in der visuellen Erinnerungskultur von heute die Zeit des Nationalsozialismus ausmacht, fehlt. Damit einher geht die Abwesenheit von emotionaler Überwältigung. Unrecht und Gefahr, Verfolgung und Angst bestimmen stets die Realität der Familie, aber sie bleiben mehr oder minder latent, was sie eher noch wirkungsvoller macht, und sie werden zudem durch die kindliche Perspektive gebrochen.
Letztere ist auch dafür verantwortlich, dass ALS HITLER DAS ROSA KANINCHEN STAHL ein Familienfilm im besten Sinne ist, nämlich ein Film für Erwachsene und Kinder, der sich trotzdem nicht in Harmlosigkeit verliert. Vielmehr leistet er historische Aufklärung gerade auch für Kinder und Jugendliche. Was Flucht und Exil bedeuten, der Verlust von Zugehörigkeit, Sicherheit und Unbeschwertheit, wird hier auch für jene greifbar, für die Politik und Geschichte noch eher abstrakte Größen sind. Geschichte wird so nahbar: Sie erscheint viel weniger als abgeschlossene, „dunkle“ Vergangenheit einer überwundenen Epoche, denn als Normalität, die jeden treffen kann und die für Flüchtlinge auch in der Gegenwart bittere Realität ist.
Überzeugt hat die Jury nicht nur, wie stimmig all dies auf ästhetischer und dramaturgischer Ebene umgesetzt ist. Beeindruckt hat uns auch der Mut, sich bei diesem schwierigen Thema den etablierten diskursiven Mustern und damit eben auch dem Mainstream gesellschaftlicher Erwartungen und Vermarktungslogiken zu entziehen.
Das waren die nominierten Filme für die CLIO 2020:
ALS HITLER DAS ROSA KANINCHEN STAHL (D/CH 2019, Spielfilm, 119 Min.)
Regie: Caroline Link | Sommerhaus Filmproduktion GmbH
(Ludwigsburg) | 2019
BABYLON BERLIN, 3. Staffel (D 2020, TV-Serie, 12x 45 Min.)
Regie: Tom Tykwer, Hendrik Handloegten, Achim von Borries | Beta Film GmbH, X Filme Creative Pool GmbH in Zusammenar-beit mit Sky Deutschland AG | 2020
WAFFENSTILLSTAND - MEIN SOMMER '45 IN DRESDEN (D 2020, Dokumentarfilm, 35 Min.)
Regie: Hans-Dieter Grabe, 3sat | 2020
ENDLICH TACHELES (D/ISR 2020, Dokumentarfilm, 104 Min.)
Regie: Jana Matthes, Andrea Schramm | HANFGARN & UFER Filmproduktion GbR, Schramm Matthes Film in Koproduktion mit Blacksheep Film Productions (Tel-Aviv) | 2020
SPUREN – DIE OPFER DES NSU (D 2019, Dokumentarfilm, 81 Min.)
Regie: Aysun Bademsoy | Ma.ja.de. Filmproduktion GmbH in Koproduktion mit ZDF, in Zusammenarbeit mit Arte Deutschland TV GmbH | 2019
VERTEIDIGER DES GLAUBENS (D 2019, Dokumentarfilm, 95 Min.)
Regie: Christoph Röhl | Flare Film GmbH in Koproduktion mit ZDF, 3sat, RBB und EIE Film (Turin) | 2019
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Dr. Christoph Classen
Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam
classen@zzf-potsdam.de
Weitere Informationen:
https://zzf-potsdam.de/ Website des Leibniz-Zentrums für Zeithistorische Forrschung
https://www.moving-history.de/# Website „moving history – Festival des historischen Films
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