Rätsel um neuen, nelkenartigen Fehlgeruch von Orangensaft gelöst
Ein Forschungsteam unter Leitung des Leibniz-Instituts für Lebensmittel-Systembiologie an der Technischen Universität München hat das Rätsel um einen neuen, nelkenartigen Fehlgeruch von Orangensaft gelöst, dessen Ursache bislang unbekannt war. Die Studie belegt erstmals, dass die unerwünschte Fehlnote auf den Geruchsstoff 5-Vinylguajacol zurückzuführen ist. Wie die Studienergebnisse zeigen, entsteht die Substanz vor allem während des Pasteurisierungsprozesses, wenn Rückstände eines Reinigungsmittels mit einem natürlichen Inhaltsstoff des Orangensafts unter Hitzeeinwirkung reagieren.
Es ist nicht das erste Mal, dass die Orangensaftbranche mit Nelkengeruch zu kämpfen hat. Dabei galt bislang 4-Vinylguajacol als Hauptverursacher dieser Fehlnote, die vor allem in lange gelagerten Orangensäften auftritt. Die mengenmäßige Bestimmung dieses Geruchsstoffs ist daher schon seit längerer Zeit ein fester Bestandteil routinemäßiger Qualitätskontrollen.
Eva Bauersachs, Doktorandin am Leibniz-Institut in Freising und Erstautorin der Studie, erklärt: „In letzter Zeit wurden uns jedoch Fälle von Orangensaftproben gemeldet, die trotz einer geringen Konzentration von 4-Vinylguajacol einen ausgeprägten Nelkengeruch aufwiesen. Wir haben uns daher gefragt, welche anderen Geruchsstoffe zu dieser unerwünschten Aromanote beitragen.“
Dem Fehlgeruch auf der Spur
Um dieser Frage nachzugehen, führte die Forschungsgruppe um Martin Steinhaus, Leiter der Arbeitsgruppe Food Metabolome Chemistry am Leibniz-Institut, in Kooperation mit der Professur für Funktionelle Phytometabolomik und dem Lehrstuhl für Lebensmittelchemie und Molekulare Sensorik der Technischen Universität München umfangreiche Untersuchungen durch. Ziel war es, die Geruchsstoffe zu identifizieren, die den bislang ungeklärten Fehlgeruch verursachen, und deren Entstehungswege aufzuklären.
Mithilfe von Techniken wie der Gaschromatographie-Olfaktometrie und der Aromaextraktverdünnungsanalyse identifizierte das Team in einem Orangensaft mit ausgeprägtem Nelkenaroma den Geruchsstoff 5-Vinylguajacol als Quelle für den Fehlgeruch. Das Auftreten dieser Substanz war bisher in Orangensaft unbekannt. Im Vergleich zu 4-Vinylguajacol erwies sie sich sogar in fünf von sechs handelsüblichen Orangensäften mit nelkenartigem Fehlaroma als geruchsaktiver.
Natürlicher Inhaltsstoff + Reinigungsmittelrest + Hitze = Fehlgeruch
Weitere Studien ließen darauf schließen, dass 5-Vinylguajacol während der Pasteurisierung entsteht, wenn der charakteristische Orangensaftinhaltsstoff Hesperidin mit Peressigsäure reagiert. Peressigsäure dient unter anderem in der Fruchtsaftindustrie als Reinigungsmittel für Cleaning-in-Place (CIP).
„Eine unzureichende Spülung der Maschinen nach dem CIP-Verfahren könnte somit zu einer Kontamination des Orangensaftes mit Peressigsäure geführt und die Bildung von 5-Vinylguajacol bei der Weiterverarbeitung verursacht haben“, sagt Studienleiter Martin Steinhaus. Aufgrund der neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse empfiehlt das Team den Orangensaft verarbeitenden Betrieben, Peressigsäure nicht mehr als Reinigungsmittel zu verwenden.
Publikation: Bauersachs, E., Walser, V., Reglitz, K., Dawid, C., and Steinhaus, M. (2024). Peracetic acid residues in orange juice can lead to a 5-vinylguaiacol-induced clove-like off-flavor via Baeyer-Villiger oxidation of hesperidin. Food Chemistry 440, 138252. doi.org/10.1016/j.foodchem.2023.138252.
Hintergrundinformationen:
Weitere Quellen für Fehlaromen in Orangensaft:
4- und 5-Vinylguajacol sind nicht die einzigen Geruchsstoffe, die als Ursache für Fehlaromen in Orangensaft in Frage kommen. So kann bei der Erhitzung von Orangensaft kohlartig riechendes Dimethylsulfid entstehen. Ebenso kann die längere Lagerung des Safts zu chemischen Reaktionen führen, bei denen α-Terpineol entsteht, das nach Terpentin riecht. Dieser Geruchsstoff entsteht unter Säureeinfluss aus den in hohen Konzentrationen im Orangensaft vorhandenen Verbindungen Limonen und Linalool. Zusätzlich können während der Lagerung Oxidationsreaktionen dazu führen, dass sich aus Limonen (S)-Carvon bildet, das nach Kümmel riecht.
Orangensaft ist sehr beliebt:
Orangensaft zählt zu den beliebtesten Getränken weltweit. So lag laut Statista-Angaben aus dem Jahr 2022 die jährlich konsumierte Menge bei etwa 8,15 Milliarden Litern. Die USA und Deutschland wiesen dabei mit einem Pro-Kopf-Verbrauch von etwa 6,6 bzw. 5,9 Litern die höchsten Konsumraten auf.
Kontakte:
Experten-Kontakt:
PD Dr. Martin Steinhaus
Sprecher der Sektion I und Leiter der Arbeitsgruppe Food Metabolome Chemistry
Leibniz-Institut für Lebensmittel-Systembiologie
an der Technischen Universität München (Leibniz-LSB@TUM)
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85354 Freising
Tel.: +49 8161 71-2991 (telefonisch erst wieder ab März 2024 zu erreichen)
E-Mail: m.steinhaus.leibniz-lsb(at)tum.de
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Informationen zum Institut:
Das Leibniz-Institut für Lebensmittel-Systembiologie an der Technischen Universität München besitzt ein einzigartiges Forschungsprofil an der Schnittstelle zwischen Lebensmittelchemie & Biologie, Chemosensoren & Technologie sowie Bioinformatik & Maschinellem Lernen. Weit über die bisherige Kerndisziplin der klassischen Lebensmittelchemie hinausgewachsen, leitet das Institut die Entwicklung einer Systembiologie der Lebensmittel ein. Sein Ziel ist es, neue Ansätze für die nachhaltige Produktion ausreichender Mengen an Lebensmitteln zu entwickeln, deren Inhaltsstoff- und Funktionsprofile an den gesundheitlichen und nutritiven Bedürfnissen, aber auch den Präferenzen der Verbraucherinnen und Verbraucher ausgerichtet sind. Hierzu erforscht es die komplexen Netzwerke sensorisch relevanter Lebensmittelinhaltsstoffe entlang der gesamten Wertschöpfungskette mit dem Fokus, deren physiologische Wirkungen systemisch verständlich und langfristig vorhersagbar zu machen.
Das Leibniz-Institut ist ein Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft (https://www.leibniz-gemeinschaft.de/), die 97 selbständige Forschungseinrichtungen verbindet. Ihre Ausrichtung reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Raum- und Sozialwissenschaften bis zu den Geisteswissenschaften. Leibniz-Institute widmen sich gesellschaftlich, ökonomisch und ökologisch relevanten Fragen. Sie betreiben erkenntnis- und anwendungsorientierte Forschung, auch in den übergreifenden Leibniz-Forschungsverbünden, sind oder unterhalten wissenschaftliche Infrastrukturen und bieten forschungsbasierte Dienstleistungen an. Die Leibniz-Gemeinschaft setzt Schwerpunkte im Wissenstransfer, vor allem mit den Leibniz-Forschungsmuseen. Sie berät und informiert Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Öffentlichkeit. Leibniz-Einrichtungen pflegen enge Kooperationen mit den Hochschulen - u.a. in Form der Leibniz-WissenschaftsCampi, mit der Industrie und anderen Partnern im In- und Ausland. Sie unterliegen einem transparenten und unabhängigen Begutachtungsverfahren. Aufgrund ihrer gesamtstaatlichen Bedeutung fördern Bund und Länder die Institute der Leibniz-Gemeinschaft gemeinsam. Die Leibniz-Institute beschäftigen rund 20.000 Personen, darunter 10.000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Der Gesamtetat der Institute liegt bei mehr als 1,9 Milliarden Euro.
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Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
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Originalpublikation:
Bauersachs, E., Walser, V., Reglitz, K., Dawid, C., and Steinhaus, M. (2024). Peracetic acid residues in orange juice can lead to a 5-vinylguaiacol-induced clove-like off-flavor via Baeyer-Villiger oxidation of hesperidin. Food Chemistry 440, 138252. https://doi.org/10.1016/j.foodchem.2023.138252
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