Deals mit Diktaturen? Wie die Bundesrepublik ihre Kooperationen mit Diktaturen aufbaute, zeigt ein neues Buch
Die bundesdeutsche Kooperation mit Diktaturen steht aktuell in der Kritik. Gegenüber vielen Autokratien befindet sich die Bundesrepublik in Abhängigkeiten, die es ihr schwer machen, für Menschenrechte einzutreten oder Sanktionen zu verhängen. Das neue Buch des Historikers Frank Bösch zeigt anhand umfassender Archivrecherchen, wie diese engen Beziehungen zu weltweiten Diktaturen seit der Ära Adenauer systematisch aufgebaut wurden. Dabei herrschte bis in die Gegenwart ein wirtschaftsorientierter Pragmatismus vor. Das Buch ergänzt die gängige Geschichte der bundesdeutschen Demokratie und Westbindung um einen Blick auf die Beziehungen zu globalen Diktaturen.
„Nach dem Nationalsozialismus hatten viele Eliten lange ein Verständnis für antikommunistische Diktaturen. Die Förderung des Exportes und somit wirtschaftliche Interessen standen ganz im Vordergrund“, betont Frank Bösch, der seit 2011 Direktor des Leibniz-Zentrums für Zeithistorische Forschung (ZZF) ist und als Professor an der Universität Potsdam Zeitgeschichte lehrt. Die Regierungsakten zeigen, dass Menschenrechte sehr lange auch intern nicht angesprochen wurden, da dies „deutsche Interessen“ gefährden würde.
Vielmehr weist Bösch zahlreiche Zugeständnisse an Diktatoren nach. Dem Schah von Iran sicherte die Bundesregierung etwa ein Vorgehen gegen kritische Journalisten und iranische Oppositionelle zu, Griechenlands Diktatur eine Einschränkung der kritischen Berichte der „Deutschen Welle“ oder Libyens Diktator Gaddafi die Freilassung von Terroristen.
Zugleich zeigt das Buch, wie seit den 1960er Jahren öffentliche Proteste die Regierungspolitik beeinflussten. „Durch den öffentlichen Druck kam es punktuell zu Sanktionen und Geheimverhandlungen, die auch zur Freilassung von Inhaftierten führte“, so Bösch. So gab die Bundesregierung zugesagte Kapitalhilfen für Südkorea und für Chile erst frei, als die dortigen Regime ausgewählte Oppositionelle entließen. Vor allem der Kampf gegen Folter, den Amnesty International initiierte, zeigte Wirkung. Damit zeichnet das Buch nach, wie sich schrittweise eine wertegeleitete Außenpolitik etablierte. Im internationalen Vergleich hielt sich die Bundesrepublik jedoch mit Sanktionen eher zurück.
Böschs sehr anschaulich und mit vielen Beispielen geschriebenes Buch bietet ein breites globales Panorama. Es reicht vom Umgang mit den südeuropäischen Diktaturen in Spanien, Portugal und Griechenland über den Nahen Osten bis hin zum Aufbau der engen Kooperation mit China. Besonders für Lateinamerikas Diktaturen wird deutlich, wie sehr Proteste die jeweiligen Beziehungen beeinflussen konnten. Auch die Annäherung an die sozialistischen Staaten im Osten erscheint in diesem Kontext in einem anderen Licht: Sie war Teil weltweiter „Deals mit Diktaturen“, die seit den 1970er Jahren neu an Fahrt gewannen.
Zum Buch
Frank Bösch
Deals mit Diktaturen
Eine andere Geschichte der Bundesrepublik
Erscheint am 15.02.2024 im Verlag C.H.Beck, München
Seiten: 622 mit 10 Abbildungen
ISBN: 978-3-406-81339-9
Preis: 32,00 €
Hier kann die Publikation beim Verlag bestellt werden: https://www.chbeck.de/boesch-diktatorendiplomatie/product/36194839
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Prof. Dr. Frank Bösch
sekretariat@zzf-potsdam.de
Tel: 0331/28991-57
Originalpublikation:
Frank Bösch, Deals mit Diktaturen. Eine andere Geschichte der Bundesrepublik, C.H.Beck, München, 2024.
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