Neues Buch widerlegt These von rechtsterroristischen »Einzeltätern« in der Geschichte der Bundesrepublik
Die Studie »Einzeltäter? Rechtsterroristische Akteure in der alten Bundesrepublik« von Darius Muschiol untersucht erstmals umfassend den Rechtsterrorismus in der Bonner Republik.
Jahrzehntelang wurde der Rechtsterrorismus in Deutschland nicht als Problem für die innere Sicherheit ernstgenommen. Das Bild vom verirrten Einzeltäter prägte den Diskurs. Erst mit der Aufdeckung der Morde des »Nationalsozialistischen Untergrunds« (NSU) im Jahr 2011 entstand in Politik und Gesellschaft zunehmend ein Bewusstsein für die Ausmaße der rechtsterroristischen Gefahr.
Das Buch ist im Open Access kostenlos als Download verfügbar.
Auch die zeitgeschichtliche Forschung in der Bundesrepublik befasste sich lange kaum mit dem Rechtsterrorismus, obwohl sich dessen Geschichte bis in die frühen 1960er Jahre zurück verfolgen lässt.
Darius Muschiols detaillierte Studie untersucht anhand vielfältiger, bisher unbeachteter Akten und Dokumente den Entstehungs- und Entwicklungsprozess des bundesdeutschen Rechtsterrorismus bis 1990. Er blickt auf die Radikalisierungsprozesse der Rechtsterroristen, deren Vernetzungen, ihr Agieren und die Bewertung dieser Gewalt durch Politik, Justiz und Öffentlichkeit. Zudem stehen die jeweiligen Feindbilder, die gesellschaftliche Einbettung des Terrorismus und dessen Kommunikationsstrategien im Vordergrund.
»Der Rechtsterrorismus ist seit Jahrzehnten Bestandteil der bundesdeutschen Realität. Das dies kaum erkannt wurde, lag einerseits in seiner Eigenlogik begründet und andererseits an Politik, Behörden, Justiz und Gesellschaft, die für diese Form des Terrorismus viel zu lange blind blieben«, erklärt Darius Muschiol zu den Ergebnissen seiner Forschung.
Muschiol untersucht bekannte Gruppierungen und Ereignisse wie die »Wehrsportgruppe Hoffmann« oder das Oktoberfestattentat 1980, arbeitet aber auch die Rolle zahlreicher bislang kaum oder unbekannter Akteure heraus, die seit den Attentaten im Südtirol der 1960er Jahre gewaltsam agierten. Ebenso zeigt er die gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Reaktionen auf rechtsterroristische Aktivitäten und Gewalttaten. Dabei wird deutlich, dass es sich eben nicht um Einzeltäter handelte, sondern dass gerade diese Sicht die Gewalt verharmloste. Darius Muschiol ergänzt damit den Blick auf die Demokratiegeschichte der Bundesrepublik wesentlich.
»Muschiols Studie zeigt die Netzwerke hinter rechtsextremen Anschlägen ebenso auf wie deren Verharmlosung durch den Staat, die meist wider besseres Wissen erfolgte«, betont Professor Frank Bösch, Direktor des Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam und Betreuer der Arbeit.
Das Buch ist im Wallstein-Verlag erschienen und ist im Rahmen eines Fördervorhabens des Bundesministeriums für Bildung und Forschung im Open Access kostenlos als Download verfügbar.
Zum Buch
Darius Muschiol
Einzeltäter?
Rechtsterroristische Akteure in der alten Bundesrepublik
Band 37 der Reihe »Geschichte der Gegenwart«
Erschienen am 9.10.2024 im Verlag Wallstein, Göttingen
Seiten: 486
ISBN: 978-3-8353-5724-2
Preis: 42,00 € (Druckausgabe) / Kostenloser Download
Hier kann die Publikation beim Verlag bestellt werden:
https://www.wallstein-verlag.de/9783835357242-einzeltaeter.html
Über denselben Link ist auch die Open-Access-Version des Buchs kostenlos verfügbar.
Zum Autor
Darius Muschiol https://zzf-potsdam.de/institut/personen/mitarbeiter_innen/darius-muschiol, geb. 1992, studierte Geschichts- und Kulturwissenschaften sowie Zeitgeschichte in Freiburg und Potsdam. Seine Promotion an der Universität Potsdam entstand am Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam in Verbindung mit der Forschungsgruppe „Die radikale Rechte in Deutschland, 1945-2000“ (https://projekt.radikale-rechte.de/).
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Darius Muschiol darius.muschiol@zzf-potsdam.de
Weitere Informationen:
https://zzf-potsdam.de Website Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam